Voyager, erschienen bei Simon & Schuster
(561 S.)
Ich weiß noch genau, wie es für mich war, als die letzte "Voyager"-Folge "Endspiel" erstmals bei Sat 1 lief. Die ganze Zeit war ich völlig hingerissen von diesem packenden Zweiteiler, aber als sich die Sendezeit bedrohlich dem Ende näherte und sich Captain Janeways Crew immer noch im Delta-Quadranten befand, stellte ich mir die bange Frage, wie um alles in der Welt die Geschichte in den paar Minuten noch zu einem angemessenen Abschluss gebracht werden sollte. Und zack - auf einmal erreichte die Voyager wieder den heimatlichen Alpha-Quadranten, und damit war die Serie vorbei. Das war also der Moment, dem man sieben Staffeln lang entgegenfieberte. Und nun?
Wie schon bei anderen Star Trek-Serien auch, wurde erfreulicherweise auch VOY in Romanform weitererzählt. In vier Romanen von Christie Golden erlebten die Crewmitglieder neue Abenteuer. Und dann... starb Kathryn Janeway. Noch nicht mal in einem "Voyager"-Roman, sondern in "Heldentod" aus der TNG-Reihe. Kurze Zeit später wirbelten die Ereignisse aus "Destiny" die Star Trek-Bücherwelt gehörig durcheinander. Wieder stellte sich die Frage: Und nun? Wie ging es jetzt mit der Voyager und ihrer Crew weiter?
Sicher hatten es die Romane, die sich unmittelbar an die spektakuläre "Destiny"-Trilogie anschlossen, nicht gerade einfach. Captain Picards Crew widmete sich in "Den Frieden verlieren" der humanitären Hilfe, die Titan kehrte in "Stürmische See" sehr schnell wieder zum Forschungsalltag zurück, und mit "Einzelschicksale" erlebten wir eine sachliche Sichtweise aus Politikerperspektive auf die Auswirkungen der verheerenden Borg-Schlacht. Kirsten Beyer ging die Sache ein wenig anders an. Statt die Handlung ihres "Voyager"-Romans ebenfalls direkt an die "Destiny"-Trilogie anknüpfen zu lassen, erzählt sie eine komplexe Geschichte, die sich über den Zeitraum von drei Jahren hinzieht, die Handlungsstränge aus den Vorgängerromanen aufgreift und das Geschehen vor, während und nach "Destiny"einschließt. Dabei springt die Handlung in der Zeit vor und zurück, und wer bei so etwas leicht den Überblick verliert (wie ich zum Beispiel), sollte sich beim Lesen besser ein paar Notizen machen. Es lohnt sich auf jeden Fall!
Schon der Epilog hat es in sich: In einem Restaurant in Venedig wartet Chakotay auf Janeway, mit der er sich verabredet hat, doch sie taucht nicht auf. Von ihrem ehemaligem Verlobten muss Chakotay erfahren, dass Kathryn tot ist.
Knapp zwei Jahre zuvor (2378): Die alte Stammbesatzung arbeitet noch einmal zusammen, um B'Elannas und Toms kleine Tochter Miral, die laut einer Prophezeihung eine Art Messias für das klingonische Volk sein soll, vor zwei rivalisierenden Sekten zu beschützen. Danach trennen sich die Wege der meisten wieder, um erst wieder zu einem tragischen Anlass zusammenzufinden: Kathryn Janeways Trauerfeier.
Damit wäre knapp die Hälfte des recht umfangreichen Romanes vorbei und wir wieder beim Anfang des Buches, aber eigentlich geht es jetzt erst richtig los. Die Zeit fliegt nun dahin, und zwischendurch kommt es immer wieder zu Rückblicken, wodurch das Tempo deutlich anzieht und der Leser mehr als vorher gefordert wird. Im ersten Teil war der Roman ein reines "Voyager"-Abenteuer, das die Handlung der Vorgängerromane weitererzählte. Ab jetzt jedoch fügt sich das Geschehen nahtlos in die Ereignisse anderer ST-Romanreihen ein, insbesondere natürlich denen von "Destiny". Im zweiten Band der Trilogie konnte man ja schon erfahren, dass auch die Voyager an vorderster Front gegen die Borg kämpfte und schwer beschädigt aus der Schlacht hervorging. Wer jetzt ausufernde Raumschiff-Ballerszenen erwartet, irrt: Mehr als alles andere stehen die Charaktere im Vordergrund. Kirsten Beyer trifft jede einzelne der bekannten Figuren perfekt und stellt deren Seelenleben so anschaulich dar, dass man als Leser so richtig schön mitfühlen, oder in diesem Fall, mitleiden kann. "Full Circle" ist gerade deshalb ein Roman, der einen streckenweise ganz schön runterzieht. Die Grundstimmung ist sehr bedrückend und manchmal regelrecht deprimierend. Je weiter ich las, umso stärker kam bei mir der Gedanke auf, die Voyager wäre wohl besser im Delta-Quadranten geblieben. Für fast alle Charaktere brachte die Heimkehr kein Glück, ganz im Gegenteil. Ausgerechnet Harry Kim, wohl derjenige, der sich am allermeisten auf die Rückkehr in den Alpha-Quadranten freute, zieht am Ende verbittert Bilanz:
"It's not right. And no matter how I try to look at it, it's never going to be right again. It doesn't make any sense. It's like I had this life, and then I somehow wandered down the wrong path and ended up in some alternate reality."
Wenn man sich die Handlung von "Full Circle" so ansieht, kann man ihm da nur beipflichten. Harry selbst: lebensgefährlich verletzt und von seiner Verlobten verlassen. Janeway: tot. Chakotay: körperlich und seelisch ein Wrack. Seven: ebenfalls psychisch in einem desolaten Zustand. Paris und Torres: aus Angst um ihre Tochter zu einer verzweifelten Maßnahme gezwungen. Tuvok: verlor seinen Sohn (siehe "Destiny 3"). Einzig der Doktor brachte sein Leben nach dem unfreiwilligen Aufenthalt im Delta-Quadranten recht gut auf die Reihe.
Ja, der Roman ist deprimierend, aber er ist gut - verdammt gut sogar. Die "Voyager"-Romanserie ist bis auf wenige Ausnahmen ja eher von bestenfalls mittelmäßigen Werken geprägt, aber "Full Circle" ist ein echter Hammer. Es ist eines jener Bücher, die einen völlig gefangennehmen; eines jener Werke, bei denen man sich den Feierabend herbeisehnt, um endlich weiterlesen zu können. Die emotionale Wucht der Geschichte haut einen förmlich um, und mehr als einmal hatte ich beim Lesen einen dicken Kloß im Hals. Zwar hat der erste, etwas zu klingonenlastige Teil des Buches eine leichte Überlänge, aber dafür ist die zweite Hälfte schlichtweg zum Niederknien. Ganz ehrlich: Schon allein dieser Roman würde die Veröffentlichung der VOY-Relaunchreihe in Deutschland rechtfertigen (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an den Cross Cult-Verlag). Als einziger Roman im Kielwasser von "Destiny" kommt "Full Circle" ähnlich episch und mitreißend wie die Borg-Trilogie daher, mit dem Vorteil, dass Kirsten Beyer ein noch besseres Gespür für die Charaktere aufbringt als ihr Kollege David Mack. Dieses Buch wird sicher auch ST-Romanleser begeistern, die sich normalerweise nicht so recht für "Voyager" erwärmen können. Obwohl er vorwiegend von starken Charaktermomenten und großen Emotionen geprägt wird, weist er auch einen beachtlichen Spannungsbogen auf. Bemerkenswert sind noch die clever aufgebaute Handlung und der sehr einfühlsame Schreibstil.
Lange Rede, kurzer Sinn: "Full Circle" ist wirklich ganz großes Kino und für mich einer der besten Star Trek-Romane überhaupt. Unbedingt empfehlenswert!
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5/5
Charaktere getroffen? *****
Humor: *
Action: ***
Gefühl: *****
originelle Handlung? ****
Anspruch: *****
Vorwissen nötig?
Da ich die Vorgängerromane nicht kenne, kann ich behaupten, dass man diese auch nicht unbedingt gelesen haben muss, um "Full Circle" zu verstehen. Pflicht hingegen sind die "Destiny-Trilogie" und "Heldentod".
Full Circle möchte ich mir auch noch holen. Und jetzt weiß ich, dass es sich lohnt. ;-)
AntwortenLöschenHoffentlich bald auch bei Cross Cult.
AntwortenLöschenIch hatte das Finale mitten in der siebten Staffel gesehen, weil Premiere Sci-Fi, dass ich gerade frisch abonniert hatte, den Spielfilm ausstrahlte und ich nicht widerstehen konnte. Es hat sich ohne Werbung auch nochmal ein Tick besser angefühlt, die Spannung wurde nicht durch Werbung abgewürgt, nichts wurde geschnitten, war aber dafür auch schneller vorbei. Und nachdem das Finale gelaufen war, hatte ich noch so einige Folgen auf Sat1 vor mir, weshalb es nicht ganz so traurig war, dass es danach nicht weiterging.