Willkommen auf meinem Star Trek-Blog! Seit ungefähr Anfang der 90er bin ich ein großer Star Trek-Fan, und irgendwann fing ich auch mal an, die Romane zu lesen. Dies soll ein Versuch sein, alle von mir geschriebenen Star Trek-Roman-Rezensionen einigermaßen kompakt zu präsentieren. Es würde mich freuen, wenn sich der eine oder andere bei meinen Bewertungen einen Tipp abholen kann. Wie man sehen kann, habe ich unter jede Rezension auch einzelne Aspekte wie Humor oder Spannung extra bewertet. Auch fehlte mir bei anderen Rezensionen immer der Hinweis, ob ein Star Trek-Roman auch für Nicht-Trekkies oder Neulinge geeignet ist oder nicht, deshalb gehe ich auch auf diesen Punkt ein.

Ich habe versucht, nicht allzuviel zu spoilern, aber absolute Spoiler-Allergiker möchte ich gleich darauf hinweisen, dass ich in fast jeder Rezi auch ein wenig auf den Inhalt des Buches eingehe. Ich finde es immer witzlos, wenn man rein gar nichts über das Thema eines Buches erfährt.

Ein Wort noch zu den verwendeten Fotos: Ich hätte die Cover auch einscannen können, fand aber die Idee mit den Fotos irgendwie schöner, gerade weil sie so dilettantisch aussehen ;-)
Kommentare, Tipps oder auch Rezensionswünsche sind jederzeit willkommen!

Und nun viel Spaß beim Stöbern!

Montag, 17. Januar 2011

Stürmische See

Christopher L. Bennett

Titan Nr. 5, erschienen bei Cross Cult

(340 S., Original: Over a Torrent Sea)
 
The show must go on: Auch wenn die Föderation nach der Borg-Invasion vor einem gewaltigen Trümmerhaufen steht, wird die Titan unter Captain Rikers Kommando auf eine neue Forschungsmission geschickt. Ziel der Reise soll ein Wasserplanet sein, der auf den Namen "Droplet" getauft wurde und den Wissenschaftlern so einige Rätsel aufgibt. Die Pilotin Aili Lavena ist geradezu prädestiniert dazu, das Außenteam auf Droplet anzuführen, da sie sich als aquatischer Selkie im Wasser buchstäblich in ihrem Element befindet. Schnell kann sie Kontakt zu den hiesigen Meeresbewohnern, den Kalwalen, aufnehmen. Mit ihren komplizierten Gesängen und der Fähigkeit, andere Meeresgeschöpfe für ihre Zwecke zu züchten, stellen sie sich als intelligent heraus, haben aber eine unerklärliche Scheu vor allem, was nicht natürlichen Ursprungs ist. Plötzlich wird Droplet von einem Meteoriten bedroht, und der Versuch, diesen abzufangen, bringt das Leben auf dem Planeten in Gefahr...

Sagt mal, kann es sein, dass Will Riker über ein ganz mieses Karma verfügt? Erinnern wir uns: Im zweiten Titan-Roman "Der rote König" wurde die Welt der Neyel durch einen Raumspalt bedroht, als Rikers Schiff gerade anwesend war. In Teil 3, "Die Hunde des Orion", griff Riker unbedarft in ein uraltes natürliches Gleichgewicht ein und entzog plötzlich einer Rasse namens Pa'haquel die Lebensgrundlage. Als nächstes folgte "Schwert des Damokles" - und was passierte? Die Titan-Crew löste ungewollt eine temporale Anomalie aus und griff so auf verheerende Weise in die Geschichte der Orishaner ein. Kaum steuern Riker und seine Mannschaft den nächsten Planeten an, bringen sie wieder dessen hochempfindliches Ökogleichgewicht in Gefahr... Wie sollen zukünftig die Bewohner eines Planeten auf die Ankunft der Titan reagieren? ("Oh nein, es ist Riker! Schafft ihn uns schleunigst vom Hals!")
Von daher: Liebe Autoren, es reicht jetzt! Lasst den armen Will doch endlich mal einen Planeten erforschen OHNE dessen Bevölkerung gleich in höchste Gefahr zu bringen!

Das ist nicht das einzige, was ich hier zu bemängeln habe, aber dazu komme ich später. Konzentrieren wir uns erst mal auf die Stärken des Romans! Zuallererst begrüße ich es, dass die Titan nach allem, was die Borg angerichtet haben, wie in guten alten Zeiten die Galaxis erforschen darf. Und gerade die Wasserwelt, von denen es in "Star Trek" bisher leider viel zu wenige gab, versprach ein spannendes Abenteuer. Schon als Kind war ich immer von den Filmen von Jacques Cousteau fasziniert, von denen ich gar nicht genug bekommen konnte. Tatsächlich entfaltet "Stürmische See" über weite Strecken einen ganz eigenen, exotischen Reiz, besonders durch die hochinteressanten Meeresgeschöpfe, die wirklich mal ganz anders sind als die meisten Spezies in Star Trek. Vor allem, weil bis zum Schluss ungeklärt wird, ob es sich bei den Karwalen "nur" um besonders intelligente Tiere handelt oder um Wesen auf der Entwicklungsstufe von Menschen, und ob man überhaupt eine klare Trennlinie ziehen kann.

Christopher L. Bennett beweist wieder einmal, dass er ein gutes Gespür für die Charaktere hat. Wie schon in "Destiny" werden die zukünftigen Eltern Riker und Troi getrennt, und glücklicherweise reagiert Deanna nicht halb so hysterisch, wie sie es in der Borg-Trilogie tat. Ich hatte anfangs befürchtet, dass der Autor das Thema Familie so endlos auswalzen würde, wie er es im TNG-Roman "Mehr als die Summe" tat, aber zu meiner großen Erleichterung blieb es in einem erträglichen Rahmen. Lobenswert ist vor allem die starke Konzentration auf Aili Lavena, eine Figur, die bisher eher zur zweiten oder dritten Garde gehörte, aber in diesem Roman zur Hauptfigur aufsteigt. Sie ist eine interessante Person, die sich in ihrer Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, und es wäre schade, wenn sie in den Nachfolgeromanen wieder in der Versenkung verschwinden würde.

Und dennoch, so sehr, wie ich diese ganzen Charaktermomente auch schätze - hier übertreibt es der Autor gewaltig! Warum muss eigentlich jedes Mitglied auf der Titan irgendein emotionales Trauma mit sich herumschleppen? Völlig lachhaft wird es an der Stelle, als Dr. Ree aus heiterem Himmel (Achtung Spoiler!) die kurz vor der Entbindung stehende Deanna verschleppt, weil plötzlich sein Beschützerinstinkt erwacht. Man beachte vor allem, wie dieser Beschützermodus ausgelöst wird, nämlich durch eine Kombination aus a) Rees Kummer darüber, weil er nie eine Partnerin abbekommen hat, b) Trois Wut über den Tod ihres ersten ungeborenen Kindes und c) war irgendwie auch noch Tuvoks Trauer um seinen Sohn daran beteiligt. Ganz ehrlich, das ist schon ziemlich irre, oder? Ich fand es jedenfalls ganz amüsant, obwohl ich fast glaube, dass Bennett eigentlich eher eine dramatische Wirkung erzielen wollte...

Auffällig ist auch die Anzahl an Beziehungskisten in diesem Roman. Klar, dass Riker und Troi eine große Rolle spielen, und auch die turbulente Beziehung zwischen Melora Pazlar und Xin Ra-Havreii liest sich sehr unterhaltsam. Und natürlich wäre da noch Lavena, die in ihrer Vergangenheit Affären mit Riker, Ra-Havreii und unzähligen anderen hatte. Unnötig zu erwähnen, dass sich auch zwischen den Nebenfiguren zarte Bande entwickeln, Bralik und Eviku wären nur ein Beispiel. Mir persönlich war es ein bisschen zuviel Geflirte für einen Roman, oder ganauer gesagt, für einen Star Trek-Roman.
In diesem Zusammenhang fiel mir eine Szene auf, als Pazlar und Ra-Havreii über den Sinn oder Unsinn einer gemeinsamen Zukunft diskutieren (S. 279):

Ra-Havreii: "Eine efrosianische Frau hat bei der Aufzucht ihrer Kinder die Unterstützung ihrer gesamten Gemeinschaft. Das kann männliche Liebhaber einschließen, auch wenn sie nicht unbedingt der Samenspender sind."

Nun ist es mir eigentlich ziemlich egal, ob Star Trek-Romane einander widersprechen oder nicht. Ging es aber um Meloras Hintergrundgeschichte, wurde in der Titanreihe ganz gern mal John Vornholts Zweiteiler "Kristallwelt" zu Rate gezogen. Im ersten "Kristallwelt"-Roman erfahren wir, wie elaysianische Kinder großgezogen werden, und es ist der efrosianischen Methode erstaunlich ähnlich (S. 226):

Pazlar: "Alle kümmern sich um die Kinder. Wenn man aufwächst, ahnt man manchmal, wer die leiblichen Eltern sind - Augen- und Haarfarbe bieten Hinweise -, aber niemand kann ganz sicher sein. Was Beziehungen betrifft...Wir sind meistens monogam."

Meistens! Ich finde, die beiden passen perfekt zusammen...

Eine Sache, die ich zunehmend als störend empfand, war das ständige wissenschaftliche Geschwafel, Gut, es ist eigentlich ganz toll, wenn sich Star Trek-Romane in Sachen Anspruch nicht hinter den "normalen" SF-Büchern verstecken müssen, und vielleicht bin ich auch schlichtweg zu doof, aber irgendwann verging mir die Lust, ständig Begriffe wie "Chordatiere", "Clathraten" und "Konvektionsströmungen" nachzuschlagen. Das Schlimmste ist, dass die ausufernden Ausflüge in die Naturwissenschaften nicht nur anstrengend zu lesen sind, sondern auch das Tempo und die Spannung in der Geschichte fast auf ein Minimum drosseln. Unter diesen Umständen war auch der Titan-typische "Multikulti-Effekt" besonders enervierend - soll heißen: Jede Person auf der Titan wird nicht nur mit Rang und Namen benannt, sondern auch mit seiner Spezies. Fähnrich XY ist also ein Matalinianer, Catullaner, Balosneeaner oder was auch immer. Eigentlich unnötig, weil es für die Geschichte unwichtig ist und man sich sowieso nichts darunter vorstellen kann. Jedenfalls blähen diese dauernden nichtssagenden Speziesbezeichnungen, zusammen mit der Fülle an wissenschaftlichen Fachbegriffen, den Roman meiner Meinung nach nur unnötig auf.

Fazit: Trotz der exotischen Unterwasserwelt konnte ich nie wirklich "eintauchen" in diese Geschichte, weil der Roman unnötig kompliziert und leider auch nicht spannend war. Durch die erneute Wiederholung des "Riker-macht-einen-schweren-Fehler-und-gefährdet-einen-ganzen-Planeten"-Plots und die haarsträubenden Psychosen seiner Hauptprotagonisten wird der Roman an vielen Stellen sogar unfreiwillig komisch. Insgesamt hat "Stürmische See" zwar viele faszinierende Ansätze, aber man hätte wesentlich mehr daraus machen können. Schade - hat Christopher L. Bennett mit dem großartigen dritten Teil "Die Hunde des Orion" doch bewiesen, dass er es viel besser kann.

3/5

Charaktere getroffen? ****
Spannung: **
Humor: ***
Action: ****
Gefühl: ***
originelle Handlung? **
Anspruch: *****

Vorwissen nötig?
Wer hätte das gedacht: Es gibt doch noch neuere Star Trek-Romane, die sich auch einzeln lesen lassen. Freilich unter der Voraussetzung, dass man viele Anspielungen auf vorangegangene Romane ausblenden kann.

1 Kommentar:

  1. Moin Ameise;

    Ich muss gestehen, dass sich hier wohl unsere Geister scheiden. Der wissenschaftliche Bezug ist ein Aspekt, der mich besonders an Bennett als Autor reizt.
    Auch die Detailtreue und -versessenheit bei den Aufzählungen und Beschreibungen der verschiedenen Spezies empfinde ich als wichtig, denn ich fand stets die vielen neuen Kulturen, auf die man im Star-Trek-Universum stößt als besonders interessant (und über die 'tailheads/Rüsselköpfe', die bei DS9 nur ein Nischendasein fristeten, wollte ich schon immer mal mehr wissen).
    Ich hätte wohl eher geschimpft, wenn es nicht so kleinteilig wäre und hätte aufgeschrieen, wenn das wissenschaftliche Fundament nicht deutlich beweisen würde, mit wieviel mehr Engagement Bennett im Vergleich zu einigen Kollegen ans Werk geht.
    Abba ich seh auch die positven Seite an deiner Bewertung:
    Endlich sind wir uns mal nicht einig! Das war nämlich fast schon wieder ein wenig langweilig so (obwohl drei unbd vier Punkte ja nicht so weit auseinander liegen)...
    ;)

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