Willkommen auf meinem Star Trek-Blog! Seit ungefähr Anfang der 90er bin ich ein großer Star Trek-Fan, und irgendwann fing ich auch mal an, die Romane zu lesen. Dies soll ein Versuch sein, alle von mir geschriebenen Star Trek-Roman-Rezensionen einigermaßen kompakt zu präsentieren. Es würde mich freuen, wenn sich der eine oder andere bei meinen Bewertungen einen Tipp abholen kann. Wie man sehen kann, habe ich unter jede Rezension auch einzelne Aspekte wie Humor oder Spannung extra bewertet. Auch fehlte mir bei anderen Rezensionen immer der Hinweis, ob ein Star Trek-Roman auch für Nicht-Trekkies oder Neulinge geeignet ist oder nicht, deshalb gehe ich auch auf diesen Punkt ein.

Ich habe versucht, nicht allzuviel zu spoilern, aber absolute Spoiler-Allergiker möchte ich gleich darauf hinweisen, dass ich in fast jeder Rezi auch ein wenig auf den Inhalt des Buches eingehe. Ich finde es immer witzlos, wenn man rein gar nichts über das Thema eines Buches erfährt.

Ein Wort noch zu den verwendeten Fotos: Ich hätte die Cover auch einscannen können, fand aber die Idee mit den Fotos irgendwie schöner, gerade weil sie so dilettantisch aussehen ;-)
Kommentare, Tipps oder auch Rezensionswünsche sind jederzeit willkommen!

Und nun viel Spaß beim Stöbern!

Freitag, 11. Juni 2010

Crucible McCoy: Provenance of Shadows


David R. George III

TOS, erschienen bei Pocket Books

(627 S.)

Ein bisschen erschrocken war ich ja schon, als das Buch bei mir ankam. Mir war vorher nicht klar, dass ich bei meinem ersten Versuch, einen Star Trek-Roman auf Englisch zu lesen, gleich den wohl längsten erwischt habe, der jemals geschrieben wurde. 627 Seiten sind sowieso schon ausgesprochen viel für einen Star Trek-Roman. Da die Wörter- und Zeilenabstände auch noch wesentlich enger sind als normal, wäre die Seitenzahl in dem üblichen Format noch um einiges höher. Zum Glück hat es sich mehr als gelohnt, diesen Roman zu lesen!

"Provenance of Shadows" ist der erste Teil einer Trilogie, deren Ausgangspunkt die Classic-Folge "Griff in die Geschichte" ist. Auch wenn der Inhalt der wohl besten Star Trek-Episode aller Zeiten allgemein bekannt sein dürfte, noch mal kurz zur Erinnerung: Der unter einer Überdosis Cordrazin leidende Dr. McCoy springt durch ein intelligentes Zeitportal namens "Wächter der Ewigkeit" und landet im Jahre 1930 in New York City, wo er der Sozialarbeiterin Edith Keeler das Leben rettet und damit die Erdgeschichte ändert. Kirk und Spock sehen sich gezwungen, McCoys Eingreifen zu verhindern und somit Edith Keeler sterben zu lassen, um die alte Zeitlinie wiederherzustellen. Die "Crucible"-Trilogie beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die dieses Ereignis auf die drei Hauptcharaktere der Originalserie hatte. Der erste Teil dreht sich um Leonard McCoy und wirft eine interessante Frage in den Raum: Wie wäre es denn McCoy in der alternativen Zeitlinie ergangen, wenn er NICHT von Kirk und Spock aus der Vergangenheit gerettet worden wäre?

Der Roman hat zwei Handlungsfäden, die sich kapitelweise immer abwechseln. Der erste Handlungsfaden findet in der alternativen Realität statt, nachdem McCoy Edith Keeler vor einem Verkehrsunfall bewahrt hatte. Wir erleben, wie McCoy zunächst die ersten zwei Jahre in Keelers Mission verbringt. Lange hofft er, dass Kirk und Spock ihn retten werden und versucht, durch Zeitungsannoncen auf sich aufmerksam zu machen, bis er schließlich einsieht, dass seine Freunde nicht kommen werden. Er beginnt zu ahnen, dass er den Verlauf der Geschichte geändert hat, und beschließt, "zu Hause" in Atlanta einen Neuanfang zu beginnen. Statt dessen landet er schwer verletzt in einer Kleinstadt in South Carolina, wo er vom Ehepaar Lynn und Phil Dickinson aufgenommen und die nächsten Jahre verbringen wird. Zunächst hält sich McCoy mit allen möglichen Hilfsarbeiterjobs über Wasser, kann aber irgendwann wieder seinem alten Beruf als Arzt nachgehen. Unterdessen zieht der 2. Weltkrieg auf, und als am 7. Dezember 1941 der Angriff auf Pearl Harbor nicht stattfindet, erhält McCoy entgültig die Gewissheit, wie sich seine Existenz in der Vergangenheit auf die Zeitlinie ausgewirkt hat. Die von ihm gerettete Edith Keeler ist nämlich in der Zwischenzeit zur Anführerin einer Friedensbewegung aufgestiegen, die den Präsidenten davon überzeugen kann, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. So kommt es, dass der 2. Weltkrieg auch lange nach 1945 kein Ende zu nehmen scheint...

Handlungsfaden Nr. 2 spielt in der uns bekannten Zeitlinie und lässt nochmal die Ereignisse der Serie und der Filme aus der Perspektive McCoys Revue passieren. Das klingt vielleicht langweilig, ist es aber nicht - ganz im Gegenteil. Der Autor schafft es, die uns bekannten Ereignisse in einem völlig anderen Licht erscheinen zu lassen, so dass ich in Zukunft so manche TV-Episode wohl mit anderen Augen sehen werde. Nebenbei werden einige Handlungslöcher geschlossen, die mich in der Serie immer gestört haben. Wir erfahren auch, wie es nach der ersten Fünf-Jahres-Mission weiterging, warum die Enterprise vor dem 1. Film totalüberholt werden musste und vieles mehr. So unterschiedlich die beiden Handlungsebenen auch sind, es gibt zwischen ihnen Parallelen und Überschneidungen. Nicht nur, dass McCoy in der uns bekannten Zeitlinie von Alpträumen heimgesucht wird, die Reminiszenzen an sein Alternativleben enthalten. In beiden Zeitlinien muss er sich einem tief sitzenden Trauma stellen, das die Ursache für seine jahrelange Beziehungsunfähigkeit ist.

Der Autor nimmt starken Bezug auf TOS und die Filme, außerdem auch auf TAS, TNG und DS9, aber NICHT auf andere Romane. Es wird mit Sicherheit nicht jedem Star Trek-Fan schmecken, dass sich dieser Roman (genau wie die beiden Nachfolger) gleich mit einer ganzen Reihe anderer Star Trek-Romane widerspricht.* Zuerst stieß mir diese Tatsache sauer auf, aber je weiter ich las, umso mehr konnte ich mich mit diesem radikalen Bruch mit dem Bücherkanon anfreunden. Jenseits aller Konventionen ist "Provenance of Shadows" ein wirklich erstaunliches Buch, dass nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ alle anderen Star Trek-Romane in den Schatten stellt, die ich bisher gelesen habe. Wer der Meinung ist, dass ST-Romane sich nicht mit "richtiger" Literatur messen könnten, der kann sich ja mal von diesem Buch vom Gegenteil überzeugen lassen. Natürlich wird David R. Georges detaillierter Stil und das langsame Tempo nicht jedermanns Sache sein, mich jedenfalls hat dieses Buch sehr berührt und regelrecht umgehauen. Es punktet mit sehr sensiblen Charakterbeschreibungen, vor allem natürlich von McCoy, aber auch sämtlicher anderen bekannten und neuen Figuren. Die Alternativgeschichte, die hier das Salz in der Suppe ist, kann mit einer stimmungsvollen Beschreibung der USA zur Zeit der Großen Depression und des 2. Weltkrieges aufwarten. Nicht zuletzt haben wir hier gleich zwei gut durchdachte Biografien des Doktors, und der Autor widmet sich Leonard McCoy mit einer Ausführlichkeit und einer Tiefgründigkeit, an die die anderen McCoy-Romane (auch wenn ich sie fast alle geliebt habe) noch nicht mal annähernd heranreichen.

Fazit: Dieses Buch hat mich über die vollen 627 Seiten so gepackt, dass ich zehn Tage lang unter grober Vernachlässigung anderer Aktivitäten in fast jeder freien Minute darin gelesen und es überall mit hingeschleppt habe. So sehr wie ich die anderen Star Trek-Romane liebe: "Provenance of Shadows" spielt einfach in einer ganz anderen Liga. Es ist nicht nur meine neue Nr. 1 unter den Star Trek-Romanen, sondern rangiert auch unter meinen "normalen" Lieblingsbüchern ganz weit oben. Ich freue mich schon tierisch auf den Tag, an dem dieser geniale Roman auf Deutsch rauskommt - dann werde ich ihn definitiv noch mal lesen. Eigentlich sind 5 Punkte hier die Höchstbewertung, aber dieses Buch hat noch einen 6. Punkt verdient!

*) z. B. "Schatten auf der Sonne", "Der dunkle Plan", "Die verlorenen Jahre", "Die andere Seite", "Ex Machina", "Einzelschicksale", "The Lives of Dax", "Krise auf Centaurus", diverse Shatner-Romane und noch andere. Das soll keineswegs heißen, dass die genannten Romane sich nicht ebenfalls untereinander in vielen Punkten widersprechen!

6/5

Charaktere getroffen? ****
Spannung: ***
Humor: *
Action: **
Gefühl: *****
originelle Handlung? *****
Anspruch: *****

Vorwissen nötig?

Wer Leonard McCoy noch nicht kennt, der kann hier in gleich zwei ausführlichen Biografien so ziemlich alles über ihn erfahren. Ich denke, an diesem Roman können sich auch Nicht-Trekker versuchen - vielleicht werden sie staunen, wie gut Star Trek-Romane sein können.

2 Kommentare:

  1. Hey! Ich liebe Star Trek!
    Und ich würde dieses Buch auch supergern lesen, aber ich bin erst 12 und wollt fragen, wie viele Englisch Kenntnisse man brauch.
    Wenn man viele benötigt, dann warte ich auf die Übersetzung.

    Ich wünschte sie wäre jetzt schon raus...

    Lg. Schweinchen :)

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    1. Hallo Schweinchen (der Nick gefällt mir aus irgendeinem Grund ^^),

      ich bin bestimmt nicht besonders sicher mit der englischen Sprache, aber nach meiner Erfahrung reichen für Star Trek-Romane im Original die normalen Schulkenntnisse aus. Nützlich wäre es außerdem, ein paar ST-Folgen im Original gesehen zu haben, um ein paar typische Star Trek-Begriffe (meist solche aus dem technischen Bereich) mal gehört zu haben. Aaaaber: Wenn Du Dir nicht sicher bist, dann lies doch einfach die deutsche Ausgabe, die ist nämlich schon seit Weihnachten draußen. Auf Deutsch heißt der Roman "Feuertaufe McCoy: Die Herkunft der Schatten", und meine Rezension dazu findest Du momentan auf der Startseite dieses Blogs. Viel Spaß beim Lesen!

      LG Ameise

      P.S. Übrigens freut es mich sehr, dass es heutzutage noch 12jährige gibt, die etwas mit TOS anfangen können! :-)

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