Diane Duane
TOS Nr. 32, erschienen bei Heyne
(396 S., Original: Spock's World)
Auf Vulkan werden Stimmen laut, die für den Austritt des Planeten aus der Föderation plädieren. Eine Volksabstimmung soll über den weiteren Verbleib Vulkans in der Föderation entscheiden, aber vorher sollen Personen unterschiedlichster Herkunft im "Saal der Stimmen" über das Für und Wider zu Wort kommen. Auch Kirk, Spock und McCoy sind eingeladen, im Saal der Stimmen an das Publikum zu appellieren. Die Befürworter des Sezession scheinen die Oberhand zu gewinnen, zumal einflussreiche Parteien im Hintergrund die Strippen ziehen.
Wer schon ein paar ältere Star Trek-Romane gelesen hat, mag sich nun zu Recht fragen, was an dieser Handlung eigentlich spannend sein soll. Kein Leser wird wohl ernsthaft annehmen, Vulkan könnte wirklich aus der Föderation austreten, da derartig einschneidende Wendungen in der Geschichte des Star Trek-Universums damals einfach nicht möglich waren, sondern am Ende immer die Ausgangssituation wiederhergestellt werden musste. Diane Duane brachte es dennoch fertig, aus diesem Roman etwas ganz Besonderes zu machen. Die Haupthandlung ist zwar vorhersehbar, liest sich aber trotzdem sehr angenehm, was vor allem auch an der perfekten Chemie zwischen den Charakteren liegt. Typisch für Duanes Romane ist eine gewisse Kaffeekränzchen-Stimmung an Bord der Enterprise, wobei die Freundschaft und der gegenseitige Respekt der Crewmitglieder untereinander deutlich zum Ausdruck kommen. Durch den Auftritt wiederkehrender Charaktere wie Herb Tanzer oder Naraht wird auch eine schöne Kontinuität innerhalb der verschiedenen Duane-Romane geschaffen, wobei ich feststellen muss, dass meine Lesereihenfolge nicht gerade glücklich gewählt war.
So interessant die Rahmenhandlung auch ist, verblasst sie doch neben jenen Kapiteln, die einen Einblick in die bewegte Geschichte Vulkans bieten. Ich habe vorher schon den Roman "Die Romulaner" gelesen, das ja ebenfalls mit Geschichtskapiteln aufwarten kann, welche ich allerdings über weite Strecken ziemlich dröge fand. Erfreulicherweise sind es in "Spocks Welt" gerade diese Kapitel, die das Buch aus der Masse der anderen ST-Romane herausheben. Anders als in "Die Romulaner" wird keine kontinuierliche Geschichte erzählt, sondern die Entwicklung Vulkans anhand scheinbar zufälliger Episoden dargestellt. Der Leser kann die Geburt des Planeten selbst, die allerersten Bewohner, die Katastrophe, die zu einer radikalen Veränderung des Klimas führte und die immer gewalttätigeren Auseinandersetzungen der verschiedenen Clans miterleben. All diese kleinen Episoden veranschaulichen dem Leser deutlich, warum eine neue Ära des Friedens, eingeleitet durch Surak, bitter nötig war. Darüber hinaus sind die Ausflüge in die Vergangenheit sehr fesselnd und hochinteressant und verleihen dem Roman eine Klasse, an die nicht viele Star Trek-Romane heranreichen. Ich mochte auch die Darstellung Suraks, dessen Geschichte überraschend unspektakulär, dafür um so realistischer ist. In "Spocks Welt" ist er ein sehr unscheinbarer Charakter und gar nicht der weise, charismatische Anführer, den ich vor Augen hatte. Ich kann mich generell nicht so recht mit Heldenverehrungen anfreunden, deshalb finde ich die Beschreibung Suraks als relativ normalen Kerl recht angenehm. Die einzige Figur, die ich kaum wiedererkannte, ist Spocks Vater Sarek, der hier viel zu emotional rüberkam. Ich kann mir beim besten Willen keinen Sarek vorstellen, der sich auf Grund eines Witzes vor Lachen kaum noch einkriegen kann!
Fazit: Besonders Vulkanierfans werden mit diesem Roman ihre helle Freude haben, wird doch ihr Lieblingsvolk so ausführlich und tiefgründig beschrieben wie nirgendwo sonst. Die Geschichtskapitel bestechen mit einer Detailverliebtheit, die einen ganz eigentümlichen Reiz entfaltet und dennoch nicht in die anstrengende Schwafelei ausartet, die für die anderen Werke der Autorin typisch ist. Auch wenn Diane Duanes Darstellung der Vulkanier in der Zwischenzeit vor allem durch die Serie "Enterprise" überholt wurde, ist es sehr lobenswert, eine so beliebte Spezies mit einem ausführlichen kulturellen Hintergrund auszustatten, vor allem wenn es auf so fesselnde und anspruchsvolle Weise geschieht wie hier. Von mir gibt es daher volle Punktzahl für diesen ganz besonderen Star Trek-Roman!
5/5
Charaktere getroffen? ***
Spannung: **
Humor: **
Action: *
Gefühl: ***
originelle Handlung? ****
Anspruch: *****
Vorwissen nötig?
Eigentlich reicht es aus, wenn man ein paar Folgen und Filme mit der TOS-Crew gesehen hat. Schön wäre es natürlich, wenn eine dieser Folgen "Amok Time" und einer dieser Filme "Star Trek III" war.
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Hallo Ameise,
AntwortenLöschenich sehe das genauso wie du.
Die eigentliche Story ist eher belanglos, teilweise unglaubwürdig.
Das absolute Highlight des Buches sind die Vulkan-Kapitel;
sehr informativ, und dabei auch sehr unterhaltsam.
Gruß, Frank
Hi Ameise,
AntwortenLöschenmit Spannung habe ich Deine Rezension zu diesem Roman erwartet und ich freue mich sehr, dass Dir dieser aussergewöhnliche Roman genau so gut gefallen hat wie mir. :) Auch die Haupthandlung fand ich sogar sehr gut, da es dem Leser zwar klar ist, das Vulkan in der Föderation bleibt, aber ich immer gespannt war, welche Argumente in der großen Verhandlung vorgebracht wurden. Unterm Strich aber auf jeden Fall ein überdurchschnittlicher Star Trek Roman.
Jetzt habe ich mal eine Frage, beim Stöbern auf Deinem Blog bin ich auf den Roman Crucible McCoy: Provenance of Shadows gestoßen, der mich sehr interessiert. Wenn ich das richtig sehe gibt es diesen Roman nur auf Englisch, es scheint zwar in ungewisser Zukunft eine deutsche Veröffentlichung anzustehen, aber das ist wohl noch ungewiss. Kannst Du mir wohl sagen auf welchem Vertriebsweg du an das Buch gekommen bist?
Besten Dank schonmal im Voraus und ein schönes Wochenende! :)
Carlito
Hallo Carlito,
AntwortenLöschen"Spocks Welt" ist auf jeden Fall weit mehr als nur "durchschnittlich" - es war jedenfalls ein super Tipp von Dir!
Zu "Crucible McCoy": Die deutsche Veröffentlichung ist schon lange für Juni 2011 geplant (na gut, wie ich Cross Cult kenne, wird's frühestens Ende Juli was), als ungewiss würde ich es also nicht bezeichnen. Aber klar, die englische Version lohnt sich natürlich auch und ist nebenbei auch um einiges günstiger. Ich habe es Anfang April als gebrauchtes Exemplar von Amazon.de für ca. 5,30 Euro (inklusive Porto) gekauft. Trotzdem freue ich mich schon sehr auf die deutsche Ausgabe (muss ich dazu etwa eine neue Rezension schreiben?!), und es ist noch verdammt lange bis zum Sommer...
Dir auch ein schönes Wochenende!
Ameise