Keith R.A. DeCandido
DS9 8.04, erschienen bei Cross Cult
(314 S., Original: Gateways - Demons of Air and Darkness)
"Gateways" ist eine siebenteilige, serienübergreifende Romanreihe, deren vierter Teil "Dämonen der Luft und Finsternis" bisher als Einziger auf Deutsch erschien. Gleichzeitig stellt dieser Roman auch den vierten Teil der DS9-Relaunch-Serie dar.
Kann sich noch jemand an die TNG-Folge "Die Iconia-Sonden" aus der zweiten Staffel erinnern? Darin stieß die Enterprise-Crew auf die Technologie der Iconianer, die sich mit Hilfe spezieller Portale in Sekundenschnelle an sehr weit entfernte Orte transportieren konnten. Nun öffnen sich überall in der Galaxis solche Portale. Eines von ihnen kommt einem mit Antimateriemüll beladenen Malon-Tanker gerade recht: erstens um das Hirogen-Schiff loswerden, das ihn gerade verfolgte, und zweitens, um seine radioaktive Fracht auf bequeme Weise einfach in diesem Portal zu entsorgen. Die Leidtragenden sind (ehemals südeuropäische?) Kolonisten auf Europa Nova, die durch den tödlichen Abfall bedroht werden. Unter Colonel Kiras Kommando startet eine große Evakuierungsmaßnahme, aber die Zeit drängt. Unterdessen lässt sich Quark auf ein gefährliches Spiel mit dem Orion-Syndikat ein, um mehr über die Iconia-Portale herauszufinden...
"Dämonen der Luft und Finsternis" ist ein flott geschriebener, unterhaltsamer DS9-Roman ohne Längen, der genau nach dem Muster der TV-Serie funktioniert, nämlich mehrere Handlungsfäden voranzutreiben und trotzdem eine in sich geschlossene Geschichte zu erzählen. Genau wie in so vielen Star Trek-Folgen gibt es auch hier eine actionorientierte Haupthandlung und eine humorvollere B-Handlung, in diesem Fall mit Quark und Ro. Wieder einmal versteckt der Autor unzählige Anspielungen mehr oder weniger subtil in dem gesamten Roman, die teilweise eine ganz schön harte Nuss darstellen, aber natürlich auch Spaß machen. So lauten zum Beispiel die Namen der beiden Iconianer Werd und Snikwah, was rückwärts gelesen Drew und Hawkins ergibt, die Namen zweier Sicherheitsleute aus dem S.C.E. Roman "Cold Fusion", ebenfalls von Keith R. A. DeCandido. An einer anderen Stelle lässt der Autor Commander Vaughn über Bashirs Kletterkünste staunen, womöglich eine Anspielung auf Alexander Siddigs Rolle im Bergsteigerdrama "Vertical Limit". Ferner gefällt mir, dass endlich mal erklärt wird, warum Gul Macet eigentlich genau wie Dukat aussieht (außer natürlich, dass beide vom selben Schauspieler dargestellt wurden...)
Obwohl ich normalerweise eher Star Trek-Romane mit großen Charakterszenen bevorzuge, sind es ausnahmsweise mal die Actionszenen, die diesen Roman für mich lesenswert machen. Der Höhepunkt ist zweifellos das spannende Duell zwischen dem Jem'Hadar-Krieger Taran'atar (meine absolute Lieblingsfigur der neuen DS9-Romane!) und dem Alpha-Hirogen.
Trotzdem kommen die Charaktere nicht zu kurz. Sie dürfen sich in erster Linie mit Familienbeziehungen herumschlagen: Shar mit seiner Mutter, Vaughn mit seiner Tochter, und Nog grübelt über seinen Vater Rom und dessen rasanten Aufstieg vom einfachen Mitarbeiter in Quarks Bar zum großen Nagus nach.
Am intensivsten geht der Autor auf Kiras Charakter ein, die hier wieder mal eine Menge über sich selbst efahren muss...
...und das ist auch geradewegs die Überleitung zum zweiten Teil des Buches, "Holz und Elfenbein" genannt. Ich will nicht zuviel verraten, nur soviel: Übergangslos findet sich Kira, und damit auch der Leser, in einem völlig andersartigen Szenario wieder, was bei mir für einige Verwirrung sorgte. Es wirkt ungefähr so, als hätte jemand mitten in einem spannenden Film einfach in ein anderes Programm gezappt. Obendrein geht es hier auch noch um ein Thema, dass ich schon zu Serien-Zeiten immer anstrengend (um nicht zu sagen langweilig) fand: Bajoranische Religion! Erstaunlicherweise liest sich diese Episode gar nicht mal so schlecht, nur stellt sie einen wirklich radikalen Wechsel zur eigentlichen Geschichte dar und wirkt wie ein Fremdkörper in diesem Buch.
In meinen bisherigen Rezensionen bin ich nie auf die Cross-Cult-typischen Essays eingegangen, da diese zwar nettes Zusatzmaterial sind, aber letztendlich nicht ausschlaggebend für meine Bewertungen waren. Kaum ist mal kein Essay vorhanden, wie in diesem Fall, vermisse ich es schon. Ich musste nämlich erstmal eine Weile im Internet umherstöbern, um herauszufinden, dass der zweite Teil "Horn und Elfenbein" gar nicht Bestandteil der Originalausgabe "Demons of Air and Darkness", sondern des siebten und letzten Gateway-Romans "What Lay Beyound" ist. Man hat von allen sechs Vorgängerromanen die Enden weggelassen und diese dann zusammen im siebten Band präsentiert! Ich bin jedenfalls ganz froh, dass dies hierzulande nicht genauso gehandhabt wird, aber eine kleine Erklärung seitens des Cross Cult-Verlages hätte schon drin sein können, gerade weil sich der letzte Teil so sehr vom Rest des Romans abhebt.
Fazit: Um ehrlich zu sein, fällt es mir nicht ganz leicht, dieses Buch zu bewerten. Keith R. A. DeCandido ist ein meisterhafter Erzähler, der scheinbar mühelos unzählige Fäden aus diversen Serien aufgreift, eine spannende, unterhaltsame Geschichte präsentiert und auch noch die Charaktere ganz ordentlich hinbekommt. Der Roman ist jedenfalls an keiner Stelle langweilig, und es macht Spaß, ihn zu lesen. Leider merkt man ihm aber an, dass er nun mal zu einer ganzen Serie rund um die Iconia-Portale gehört. Man findet hier keine Erklärung, warum diese Portale überhaupt erschienen (es sei denn, sie ist mir irgendwie entgangen), und statt einer echten Auflösung nur die seltsame Kira-Story am Schluss. Auch die Nebenhandlung um Quarks Aufeinandertreffen mit dem Orion-Syndikat war nicht ganz mein Fall. Darüber hinaus hat der Roman das Pech, mit "Der Abgrund" einen extrem guten Vorgänger zu haben, an dessen Qualität er nicht anknüpfen kann.
Von daher: "Dämonen der Luft und Finsternis" ist ein unterhaltsamer und lesenswerter Roman, aber der Autor kann es definitiv besser.
3,5/5
Charaktere getroffen? ***
Spannung: ****
Humor: **
Action: ****
Gefühl: **
originelle Handlung? **
Anspruch: ***
Vorwissen nötig?
Das ist wieder mal ein Roman für echte Trekkies, weniger für "normale" SF-Leser, die schon SEHR großzügig über die zahllosen Anspielungen hinweglesen müssten, um der Handlung folgen zu können.
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Moin Ameise,
AntwortenLöschenRespekt, Dein Endergebnis kann sich sehen lassen! Allerdings frage ich mich jetzt, woher Du die Infos zu Werd/Drew, Snikwah/Hawkins (Captain Hawkins ist im Buch übrigens auch der Kommandant des vokalarmen Schiffes 'Ng') oder Bashirs Kletterkünsten a la "Vertical Limit" bekommen hast. Hattest Du da Hilfe aus dem Netz oder war das die jahrelange Erfahrung als Star-Trek-Bücherwurm?
Sowohl als auch ;)
AntwortenLöschenDie Namen Werd und Snikwah sahen für mich so "rückwärts" aus, und dann habe ich halt umhergegoogelt, ob Drew u. Hawkins irgendeine Bedeutung im Zusammenhang mit Star Trek haben. Dabei bin ich auf eine Leseprobe des 1. Kapitels des S.C.E.-Romans "Cold Fusion" gestoßen und auf folgenden Satz: "Two security guards, Drew and Hawkins, were sitting at one of the far tables."
Das mit "Vertical Limit" wusste ich tatsächlich so, aber natürlich kann es sein, dass Keith R. A. DeCandido gar nicht auf diesen Film anspielt...
;)
Okay, bin noch nicht ganz durch, aber bis jetzt überzeugt mich der Roman auf ganzer Linie. Allerdings stört mich wieder so eine Sache: Scheinbar wird wieder auf einen Roman angespielt, den ich nicht kenne. Wann hatte die Sternenflotte den ein zweites Mal mit den Iconia-Portalen zu tun, nach der Folge 'Die Iconia Sonden'? Das ist schon alles sehr verwirrend.
AntwortenLöschenIch danke Cross Cult dafür, dass in Deutschland endlich wieder Star Trek-Romane veröffentlicht werden, allerdings finde ich es nicht gut, einzelne Reihen so auseinanderzureißen. Sicher ist das nicht ganz einfach, vor allem, wenn das Buch gleich mehreren Zyklen und Reihen angehört, aber die immer mehr Überhand nehmenden Anspielungen auf in Deutschland unveröffentlichte Bücher, kann einem schon den Lesespaß etwas verhageln.
Aber das hat natürlich alles nichts mit deiner Rezension zu tun, die wie immer top ist.
Gruß, Marko
Du bist noch nicht ganz durch? Dann bist Du sicher noch nicht auf diese komische Kira-Story gestoßen. Bin gespannt, was Du davon hältst!
AntwortenLöschenOb die Iconia-Sonden abgesehen von der siebenteiligen Gateways-Reihe, zu dem ja auch "Dämonen" gehört, schon mal in anderen Romanen erwähnt wurden, weiß ich leider auch nicht. Ich finde nicht, dass man dem Cross Cult-Verlag da einen Vorwurf machen kann, immerhin können die nicht in so kurzer Zeit aufholen, was sich nach dem Star Trek-Aus von Heyne angesammelt hat. Es wird wohl viele Romane geben, die nie auf deutsch erscheinen werden. Von daher werden wir wohl mit den Anspielungen leben oder die Originalromane lesen müssen. Aber das soll uns nicht den Spaß am Lesen vermiesen!
;-)
Gruß, Ameise