Diane Carey
TNG Nr. 6, erschienen bei Heyne
(271 S., Original: Ghost Ship)
Gut, ich war vorgewarnt. Schon des öfteren las ich, dass "Gespensterschiff" der schlechteste TNG-Roman überhaupt sei. Weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, alle im Heyne-Verlag erschienenen Star Trek-Romane zu lesen, dachte ich mir: Lies es halt, dann hast du es hinter dir. Und oh ja - "Gespensterschiff" ist schlecht, sehr sogar!
Als der Roman geschrieben wurde, war der Pilotfilm noch nicht mal gedreht (Das Buch erschien aber erst später, 1988). Autorin Diane Carey, die (manchmal) auch ganz gute Romane schreiben kann, hatte dementsprechend noch keine Ahnung über die Charaktereigenschaften der Figuren. Darum verpasst sie ihnen aufs Geratewohl einfach selbst welche und trifft damit meilenweit daneben. Ihr Picard ist ein herrschsüchtiger Choleriker, der auf der Brücke umherbrüllt und bei der geringsten Kleinigkeit an die Decke geht - kein Vergleich also zu dem besonnenen und diplomatischen Captain, wie ich ihn in Erinnerung habe. William Riker beäugt misstrauisch Picard und ganz besonders Data, den er regelrecht hasst, weil dieser ein Androide ist. Data wiederum versinkt daraufhin in Selbstmitleid und begibt sich schmollend auf einen Selbstfindungstrip mit einem gestohlenen Shuttle. Worf und Tasha Yar machen einen sehr inkompetenten Eindruck und schlagen ständig vor Frustration auf ihre Konsolen ein. Überhaupt herrscht ein ziemlich rauer Umgangston an Bord der Enterprise. Die Crewmitglieder bellen Befehle, brüllen sich an und schießen sich gegenseitig vernichtende Blicke zu. Keine Spur von der familiären Atmosphäre, die gerade bei TNG die ganze Zeit über herrschte. Man hat fast das Gefühl, die Figuren wären von irgendwelchen fremden Entitäten übernommen worden und hätten sich daraufhin in völlig fremde Persönlichkeiten verwandelt.
Wie die Autorin auf die Idee kam, die Serie würde sich in diese Richtung entwickeln, ist mir absolut unverständlich. Sie hätte die Charakterisierung der ihr unbekannten Figuren einfach hintenan stellen und sich statt dessen auf eine spannende SF-Story konzentrieren sollen. Aber worum geht es in dem Roman? Um einen sowjetischen Flugzeugträger, dessen Besatzung im Jahre 1995 (!) von einem unbekannten Energiewesen getötet wird. Knapp 300 Jahre später empfängt Deanna qualvolle Gefühle von den gefangenen Seelen der russischen Seeleute, auch das Energiewesen taucht wieder auf und will natürlich die Enterprise vernichten. Nun, mit dieser ausgelutschten Story kann Frau Carey ebenfalls keinen Blumentopf gewinnen.
Fazit: Bei der großen Anzahl an Star Trek-Romanen ist es nicht verwunderlich, wenn ab und zu mal ein schlechter dabei ist. "Gespensterschiff" gehört eindeutig zu den wenigen Nieten. Mehr als einen Punkt hat es leider nicht verdient, da das einzig positive die unfreiwillige Komik war und die Erkenntnis, dass es jetzt nur besser werden kann...
P.S.: Beim Betrachten des Covers könnte einigen das Raumschiff im Hintergrund eventuell bekannt vorkommen. Es ist der Kampfstern Galactica!
1/5
Charaktere getroffen? - (ein Stern wäre noch zuviel!)
Spannung: *
Humor: **
Action: *
Gefühl: **
originelle Handlung? *
Anspruch: *
Vorwissen nötig?
Nein, die Autorin hatte ja auch keine Ahnung von TNG. Wenn man mit diesem Roman nichts anfangen kann, liegt das ganz sicher nicht am mangelnden Vorwissen.
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Hi, das Buch ist wirklich einer der schlechtesten Romane, was allerdings auch daran liegen kann, daß es vor dem Start der Serie geschrieben wurde ...
AntwortenLöschenStimmt, die Autorin hatte in der Tat fast gar keine Anhaltspunkte über die Personen und ihre Charaktereigenschaften. Klar könnte man da ein milderes Urteil fällen, aber...nee. Aus irgendeinem Grund scheint Diane Carey in den wenigen Informationen, die sie hatte, eine Menge Konfliktpotenzial gesehen zu haben, anders kann ich mir das übertrieben aggressive Verhalten der Enterprise-Crew nicht erklären. Wie man es wesentlich besser machen kann, beweist der Voyager-Roman "Die Flucht", der ebenfalls sehr früh entstand, fast gar nicht charakterisiert, sondern einfach eine spannende und originelle Story erzählt. Diese hätte zwar jeder x-beliebigen Raumschiffcrew passieren können, aber wen kümmert's - das Buch macht einfach Spaß. Aber die halbgare verschwommene Geschichte in "Gespensterschiff" ist so öde und lieblos geschrieben, dass sie die miesen Charakterdarstellungen in keinster Weise ausgleichen kann. Sehr schade - die TNG-Crew hätte einen besseren Start verdient!
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