Jeri Taylor
Voyager Nr. 20, erschienen bei Heyne
(647 S., Original: Pathways)
Es gab einmal eine Zeit, in der ich mich weigerte, "erfundene" Star Trek-Romane zu lesen, und las deshalb ganz stur nur die Bücher zu Filmen oder TV-Folgen. Meine Meinung änderte ich erst, als im Jahre 2002 "Schicksalspfade" erschien. Obwohl "Voyager" nie meine Lieblingsserie bei Star Trek war, verschlang ich den fast 650 Seiten starken Wälzer innerhalb weniger Tage und war völlig hin und weg von diesem Roman. Nun habe ich mir dieses Buch ein zweites Mal vorgenommen (immerhin hatte es noch keine Rezension!), und war neugierig, ob es mich auch heute noch so begeistern kann wie damals. Die Antwort: Klar kann es das!
"Schicksalspfade" ist kein gewöhnlicher Star Trek-Roman, sondern im Grunde nichts weiter als die Vorgeschichte der Voyager-Hauptfiguren. Die Rahmenhandlung ist eher simpel und schnell erzählt: Von einem Moment zum anderen finden sich Mitglieder der Voyager-Crew in einem außerirdischen Arbeitslager wieder. Sie planen, einen Transporter zusammenzubasteln, um sich aus dem Lager herauszubeamen. Die Vorbereitungen erweisen sich als kompliziert, gefährlich und langwierig, und die Lebensbedingungen sind katastrophal. Gerade diese schwierigen Verhältnisse schweißen aber die Gefangenen noch stärker zusammen als vorher, und so erzählt jeden Abend ein anderes Crewmitglied ganz offen über sein Leben vor der Voyager und enthüllt dabei oft auch einschneidende Erlebnisse in der Vergangenheit, die lange geheim blieben.
Schon mit "Mosaik" bewies Jeri Taylor, dass die Vorgeschichte einer Star Trek-Figur, in diesem Falle Kathryn Janeway, viel spannender sein kann als ein übliches 08/15-Abenteuer nach dem Motto "Auf der Suche nach Ersatzteilen/Vorräten/einer Abkürzung gerät die Voyager in Konflikt mit Spezies xy". Natürlich funktioniert dieses Rezept nicht nur beim Captain, sondern auch mit den anderen Figuren. So können wir miterleben, wie der junge Chakotay so gar nicht in die Fußstapfen seines traditionsbewussten Vaters treten wollte, wie Harry Kim als verhätscheltes Musikgenie während der Sternenflottenausbildung an seine Grenzen gehen musste, wie B'Elannas klingonisches Erbe ihr ein Außenseiterdasein bescherte, wie Tom Paris einen steilen Absturz vom hoffnungsvollen Kadetten zum Sträfling hinnehmen musste, wie Neelix' Leben nach der Metreonkaskade aus den Fugen gerät und wie die höchst unlogischen Menschen Tuvok immer wieder Rätsel aufgaben. Überraschenderweise erhalten wir auch einen ausführlichen Einblick in das Leben von Kes, obwohl sie sich zum Zeitpunkt dieser Geschichte (ca. Anfang der fünften Staffel) nicht mehr an Bord der Voyager befand. Und wer hätte gedacht, dass die sanfte Ocampa bei ihrem Volk eine derartige Rebellin war? Über Seven of Nine gibt es leider nicht viel zu berichten, da sie ja schon als kleines Kind von den Borg assimiliert wurde.
Jeri Taylor, ehemals ausführende Produzentin bei "Voyager", ist auch eine richtig gute Romanautorin mit dem Talent, einfach nur gute Geschichten zu erzählen. Sie greift unzählige Fäden auf, die in der Serie angesprochen wurden, und baut diese geschickt in die Lebensläufe der Voyager-Crew ein. So verleiht sie einem Charakter nach dem anderen Profil, und zwar so, dass man die Figuren trotzdem noch wiedererkennt. Was macht es da schon, dass manche Sachen dann später noch vom Kanon widerlegt wurden, z.B. Tuvoks emotionale Phase seiner Jugendzeit, von der wir in der Folge "Schwere" Zeuge wurden, oder der Name von B'Elannas Mutter. Es ist auch überhaupt nicht schlimm, dass die Rahmengeschichte weder originell noch spannend ist, denn die ist sowieso zweitrangig. Jeri Taylor hält sich auch gar nicht lange damit auf: Weder gibt es eine große Einleitung noch eine Erklärung, warum die Voyager-Leute überhaupt in dem Gefangenenlager landeten - das hätte nur gestört und sowieso niemanden interessiert. Hier geht es nun mal in erster Linie um die Biografien, und die sind mal spannend, mal tragisch, mal witzig, aber niemals langweilig. Hat man einmal angefangen zu lesen, kann man nicht mehr damit aufhören, und die 647 Seiten vergehen wie im Flug.
Erwähnenswert finde ich noch, dass Fähnrich Vorik hier eine größere Rolle spielt. Das hängt *vielleicht* damit zusammen, dass dessen Darsteller Alexander Enberg der Sohn der Autorin ist. Janeways Part ist diesmal winzig, aber sie hatte ja im Vorgänger "Mosaik" ihren großen Auftritt. Lustigerweise gibt es in der Tuvok-Geschichte eine Szene, die auch in "Mosaik" vorkommt, nur dass man sie diesmal aus der Sicht des Vulkaniers erlebt. Das MHN ist hier leider nirgendwo zu finden, da dem Doktor nun mal eine Vorgeschichte fehlt.
Fazit: Wer es liebt, mehr über die Star Trek-Charaktere zu erfahren, für den ist "Schicksalspfade" genau das richtige. Die Autorin hat einen sehr angenehmen, warmherzigen Schreibstil, so dass sich der Roman ganz locker weglesen lässt. Obwohl ich die Mehrzahl der Voyager-Romane noch nicht gelesen habe, kann ich mir schwer vorstellen, dass die anderen mit diesem Buch mithalten können. Nur "Mosaik" fand ich noch einen Tick besser.
5/5
Charaktere getroffen? *****
Spannung: ***
Humor: **
Action: **
Gefühl: *****
originelle Handlung? ***
Anspruch: **
Vorwissen nötig?
Auch wenn in diesem Roman vieles näher beleuchtet wird, was in der Serie erwähnt wurde, kann ich "Schicksalspfade" auch Gelegenheitszuschauern empfehlen.
Posts mit dem Label Jeri Taylor werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Jeri Taylor werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Sonntag, 1. August 2010
Donnerstag, 10. Juni 2010
Die Zusammenkunft
Jeri Taylor
TNG Nr. 36, erschienen bei Heyne
(250 S., Original: Unification)
"Die Zusammenkunft" ist der Roman zum TNG-Zweiteiler "Wiedervereinigung?". Falls jemand die Folge nicht gesehen hat: Captain Picard erhält den Auftrag, auf Romulus nach Botschafter Spock zu suchen. Es wird befürchtet, dass dieser möglicherweise zu den Romulanern übergelaufen ist. Zusammen mit Data begibt sich Picard an Bord eines klingonischen Frachters nach Romulus. Unterdessen muss Commander Riker nach einem verschwundenen vulkanischen Raumschiff suchen.
Gut, für den, der die TV-Folge nicht kennt, mag dieser Roman sehr interessant sein. Vielleicht ist er sogar für Nicht-Trekkies besser geeignet, denn Jeri Taylor stellt tatsächlich die Hauptpersonen etwas näher vor. Möglicherweise bin ich da etwas intolerant, aber ich will eigentlich nicht lesen, dass Picard eine Glatze hat und Data ein Androide ist. Neben der Handlung, die wir vom Fernsehen kennen, schmückt die Autorin die Geschichte und die Nebencharaktere noch etwas aus, was ja auch in anderen Star Trek-Romanen, die auf Filmen oder TV-Episoden beruhen, üblich ist. Bemerkenswert ist übrigens die Tatsache, dass die Autorin Jeri Taylor auch das Drehbuch für den ersten Teil der TV-Folge schrieb. Sie ist allerdings auch eine sehr talentierte Romanautorin, wie sie mit den beiden großartigen Voyager-Romanen "Mosaik" und "Schicksalspfade" bewiesen hat. Taylors große Stärke ist die feinfühlige Charakerisierung der Figuren, und auch bei diesem Roman sind die interessantesten und eindringlichsten Stellen diejenigen, in der die Charaktere näher beleuchtet werden. Besonders hervorzuheben sind die komplexen Beziehungen zwischen Picard/Sarek und Sarek/Spock. Auch die Nebenfiguren sind sehr schön beschrieben. Leider ist der Roman mit 250 Seiten etwas knapp ausgefallen, aber als kurzweilige Lektüre für zwischendurch sehr gut geeignet.
3,5/5
Charaktere getroffen? ****
Spannung: **
Humor: ***
Action: **
Gefühl: ***
originelle Handlung? ***
Anspruch: **
Vorwissen nötig?
Wie oben schon erwähnt, sollten auch Nicht-Trekker damit zurechtkommen.
Labels:
Jeri Taylor,
TNG - Die Zusammenkunft
Mosaik
Jeri Taylor
Voyager Nr. 11, erschienen bei Heyne
Vor ein paar Jahren las ich den Voyager-Roman "Schicksalspfade" und war total begeistert. Er besteht im Großen und Ganzen aus den Biographien der Voyager-Hauptpersonen. Ich wunderte mich allerdings sehr, warum ausgerechnet die Lebensgeschichte von Captain Janeway darin nicht enthalten war. Tja, jetzt weiß ich die Antwort: "Mosaik", das früher erschien als "Schicksalpfade", ist eine einzige große Janeway-Show. Es gibt zwar eine Nebengeschichte, in der auch die anderen Personen zum Zug kommen, aber das eigentlich interessante an diesem Roman ist die Biographie von Kathryn Janeway. Man erfährt einfach alles aus ihrem bewegten Leben: Ihre Kindheit, in der sie vergeblich versuchte, den Ansprüchen ihres Vaters gerecht zu werden, ihre Zeit an der Sternenflottenakademie, ihr Aufstieg zum Captain und noch viel mehr. Den Leser erwarten unverhoffte Begegnungen mit Data und Will Riker, und endlich erfahren wir auch etwas über ihren Verlobten Mark. Außerdem muss Kathryn mit zwei tragischen Verlusten fertig werden.
Janeways Erinnerungen sind als Flashback in die eigentliche Geschichte eingestreut: Ein Außenteam der Voyager, dem u. a. Tuvok, Kim, Neelix und Kes angehören, muss sich in einem unterirdischen Labyrinth vor den Kazon verstecken, das plötzlich ein Eigenleben entwickelt. Die Kazon wollen die insektenartigen Bewohner dieses Planeten, die scheinbar unbesiegbar sind, für ihre Raubzüge missbrauchen. Die einzige Möglichkeit der Voyager scheint die Flucht zu sein und das Außenteam ihrem Schicksal zu überlassen.
"Mosaik" ist ein hervorragend geschriebener Roman von Jeri Taylor, der ehemaligen ausführenden Produzentin der Voyager-Fernsehserie. Janeways Lebenslauf ist unglaublich spannend und informativ. Kathryn wächst einem dabei so richtig ans Herz. Man freut sich für sie, wenn sie Erfolg hat, man fiebert mit, wenn sie sich in gefährlichen Situationen befindet, und ihre Schicksalsschläge gehen einem wirklich nahe. Die Nebengeschichte ist ebenfalls spannend, obwohl der Janeway-Teil das eigentlich Interessante an diesem Roman ist. Zeitlich ist "Mosaik" etwa 18 Monate nach dem Serienstart angesiedelt, also zur 2. Staffel. Es ist ein wenig schade, dass die Kazon wieder mal als Schurken vom Dienst herhalten müssen, sie sind genauso dumm, arrogant und leider auch farblos wie in der Serie. Das kann aber den positiven Gesamteindruck nicht trüben. "Mosaik" ist ein toller Star Trek-Roman und mit Sicherheit eins der besten Voyager-Bücher.
5/5
Charaktere getroffen? ****
Spannung: ***
Humor: ***
Action: ***
Gefühl: ****
originelle Handlung? ***
Anspruch: ***
Vorkenntnisse nötig?
Wer Janeway noch nicht kennt, der wird sie hier so richtig kennenlernen ;-)
Funktioniert also ohne großes Vorwissen, aber ein paar Voyager-Folgen als Vorbereitung wären sicher nicht schlecht.
Labels:
Jeri Taylor,
Voyager - Mosaik
Abonnieren
Posts (Atom)